Kanzlei Gabl

Cannabisversorgung gem. § 31 VI SGB V

A. Tatbestandsvoraussetzungen

Um einen Anspruch auf eine Genehmigung auf die Versorgung mit Cannabis gem. § 31 VI SGB V  zu haben, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:

1. „schwerwiegende Erkrankung“

Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher auszulegen ist.

Das BSG bestätigte nunmehr, dass eine Erkrankung auch als schwerwiegend einzustufen ist, wenn die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt ist. 
Von einer dauerhaften Beeinträchtigung ist ab einem Zeitraum von (voraussichtlich) 6 Monaten auszugehen. Die Beeinträchtigung ergibt sich nicht aus der Diagnose, sondern aus den konkreten Auswirkungen der Erkrankung, für die Beurteilung kann auch der GdS herangezogen werden. Eine schwerwiegende Erkrankung ist laut BSG dann anzunehmen, wenn die Integration in den Arbeitsmarkt, das öffentliche Leben und das häusliche Leben ohne Unterstützung nicht gelingt. Bei mehreren Erkrankungen ist auf deren Gesamtauswirkung abzustellen.

Auch ADHS kann als Grunderkrankung einen Anspruch auf Versorgung im Falle einer schwerwiegenden ADHS begründen.


2. allgemein anerkannte Leistung nicht zur Verfügung steht

Diese Voraussetzung liegt vor, wenn eine Therapie nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin schlicht nicht gibt oder bei dem Patienten keinerlei Wirkung haben.

Auch kann diese Voraussetzung dadurch erfüllt werden, dass die Standardtherapie ausscheidet, wenn die Therapie bereits zu schweren Nebenwirkungen geführt hat, wie etwa stationäre Behandlungsbedürftigkeit oder deren Verlängerung, oder diesbezüglich ein hohes Risiko besteht.

Oftmals wird hierzu in den ärztlichen Stellungnahmen nur ausgeführt, dass der Patient austherapiert sei. Dies ist jedoch nicht ausreichend.

Hier ist zu unterscheiden zwischen medikamentösen Therapien und anderweitigen (physikalisch, psychisch etc.).
Die versuchten Medikamente sind einzeln zu bezeichnen (inkl. Zeitraum) und Ausführungen zu ihrer Wirkung und den Nebenwirkungen zu machen, dies kann ggfs. durch die Patientenakte belegt werden

Entsprechendes gilt für die anderweitigen Therapien. Entsprechende anderweitige Bescheinigungen und Atteste sind beizufügen oder klar auszuführen, weshalb aus ärztlicher Sicht eine derartige Therapie nicht in Betracht zu ziehen ist.

Auf sämtliche Standardtherapien ist insofern im besten Falle einzugehen.


3. oder alternativ zu 2): begründete Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes

Hieran stellen die Gerichte erhebliche Anforderungen und es ist eine begründete Einschätzung abzugeben, welche auf sämtliche wesentlichen Aspekte eingeht.


Diese Anforderungen müssen spätestens zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erfüllt sein. In diesem Falle ist eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses der Vertragsarztes nur auf völlige Unplausibilität zulässig.

Hat der behandelnde Arzt mögliche Standartherapien in seiner begründeten Einschätzung schlicht nicht erwähnt, so genügt für die Ablehnung des Anspruches die Feststellung, dass weitere Möglichkeiten von Standardtherapien bestehen.
Auch ob ein vorbestehender Suchtmittelkonsum oder eine entsprechende Abhängigkeit eine Kontraindikation darstellt, ist vom Vertragsarzt abzuwägen und in die begründete Einschätzung aufzunehmen, auch hierauf bezieht sich die eingeschränkte Überprüfbarkeit.

4. „nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung … besteht“

Insofern haben Gerichte vereinzelt bereits diese Voraussetzung abgelehnt mit der Begründung, dass der behandelnde Arzt dies lediglich mit der tatsächlich positiven Einwirkung aufgrund eines Versuches auf Privatrezept begründet hat und gerade keine Vorabeinschätzung getroffen hat.

Das BSG stellte fest, dass ein Hinweis auf Leitlinien nicht ausreicht, um die Erfolgsaussichten zu verneinen. Fallserien und Einzelfallberichte müssen der Einschätzung zugrunde gelegt werden, bei Fehlen entsprechender Erklärungsmuster genügt auch die bloße ärztliche Erfahrung, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen lassen (Unterstützung durch objektive Hinweise).

5. „kassenärztliche Verordnung auf BTM-Rezept“

Die unterschiedliche Rechtsprechung der Senate sollte durch die Entscheidung des BSG beendet worden sein. Laut BSG bedarf es keiner Vorlage eines kassenärztlichen Verordnung, jedoch muss der genaue Inhalt einer zukünftig geplanten Verordnung im Rahmen des Antrages genannt werden (entsprechend dem Inhalt einer kassenärztlichen Verordnung).

6. Ablehnung in begründeten Ausnahmefällen

Hier kommen eher nichtmedizinische Gründe in Frage, welche die Einschätzungsprorogative des Vertragsarztes nicht unterlaufen, wie z.B. die unbefugte Weitergabe des verordneten Cannabis an Dritte.

7. Wirtschaftlichkeitsgebot

Bei voraussichtlich gleicher Geeignetheit ist die Krankenkasse berechtigt trotz Vorliegen der Voraussetzungen die beabsichtigte Verordnung zu verweigern und das auf das günstigere Mittel zu verweisen, weshalb es angeraten erscheint, dass auch die Anwendung des konkreten Mittels von dem Vertragsarzt unter Abwägung sämtlicher zur Verfügung stehenden Mittel begründet.


B. Rechtsansichten zum Umfang der Genehmigung

1. Befristung

Die vormals von den Krankenkassen vorgenommenen Befristungen entbehren laut gerichtlicher Hinweise jeglicher gesetzlichen Grundlage, dieser Hinweis befindet sich auch bereits in dem BVA Jahresbericht 2017.


2. Arztbindung

Die -vielfach in der Genehmigung zu findende- Erwähnung des behandelnden Arztes ist als Arztbindung als rechtswidrig anzusehen, da die Genehmigung nicht dem behandelnden Arzt, sondern dem Versicherten zu erteilen ist. Rechtskräftige Entscheidungen hierzu sind nicht bekannt, da in sämtlichen Verfahren ein Anerkenntnis abgegeben wurde oder die Argumentation dahingehend geändert wurde, dass es sich nur um eine Anzeigepflicht handelt, für welche jedoch ebenfalls keine gesetzliche Grundlage besteht.
Teils wurde auch behauptet, dass dieser Teil nicht dem Verfügungssatz hinzuzurechnen ist, also keine Wirkung hat. Zur Rechtssicherheit stellt sich aber die Frage, ob kein Anspruch auf Beseitigung besteht, da die Formulierung bei Vertretungsärzten in der Praxis bereits dazu geführt hat, dass diese eine Rezeptausstellung verweigerten und somit eine Versorgung nicht mehr gesichert war.
Allerdings findet sich diese Formulierung weiterhin, meist untermauert durch das Argument, dass nur so Missbrauch verhindert werden kann. Woraus sich die Ungleichbehandlung zu Schmerzmittelmissbrauch ergeben soll, erschließt sich in meinen Augen jedoch nicht.

C. Genehmigungsfiktion (3 bzw. 5 Wochen § 13,3a SGB V)


Entschieden hat das BSG mittlerweile darüber, dass die Genehmigungsfiktion keinen Sachleistungsanspruch gibt, also eine Genehmigung ersetzt, sondern nur einen Kostenerstattungsanspruch bis zum Eintritt der „Bösgläubigkeit“ – also bis der Versicherte wusste oder wissen musste, dass kein Anspruch besteht- begründet.